To whom it may concern

Ich möchte Anzeige erstatten.

Ich möchte ein Verbrechen melden. Eine vermutlich vorsätzlich begangene Straftat offenbaren, Beweise vorbringen, den Täter verhören und dann bloßstellen.

Leider geht das nicht, denn das Verbrechen war emotionaler Natur, die Straftat wurde an meinem Herzen verübt, hinterrücks und heimtückisch, mit voller Absicht oder aus Feigheit spielt keine Rolle.
Ich zeige Dich an, denn Du hast Dich schuldig gemacht. Ich bezichtige Dich der bewussten Unterschlagung von Informationen. Es gibt Menschen, die würden das als „lügen“ bezeichnen, und wenn ich ehrlich bin, gehöre ich auch dazu.

Du hast mich belogen. 14 Monate lang und mit voller Absicht. Hast mir – wenngleich auch zunächst aus der Ferne – aktiv Honig ums Maul geschmiert, mir Komplimente gemacht und Aufmerksamkeit geschenkt, fast täglich „sprachen“ wir miteinander, und Dir gefiel das genauso wie mir. Du hast mir Fotos geschickt, so viele Fotos, auf denen Du super aussahst, hast mir Dinge von Dir erzählt, sehr intime Dinge, die wohl wenige Leute von Dir wissen. Und nach sieben Monaten, in denen wir uns gegenseitig ans Herz gewachsen waren (erzähl mir nicht, dass es bei Dir nicht genauso war, denn dann würdest Du Dich als oscarverdächtiger Schauspieler outen), trafen wir uns endlich und Du warst genauso happy wie ich, dass der Funke auch in echt übersprang. Die drei Wochen bis zu unserem nächsten Treffen wurden uns beiden sehr sehr lang, die Fotos und Texte, die wir uns schickten, immer eindeutiger. Und was dann bei besagtem nächsten Treffen passierte, brauche ich Dir nicht schildern. Das weißt Du genau, und Du hast es nicht vergessen, ebensowenig wie ich.
Kurze Zeit später offenbarte ich Dir, dass ich mich verliebt hatte und mit Dir zusammensein wollte, so richtig. Du sagtest, dass Du nicht das gleiche empfindest und auch nicht so richtig Zeit für eine Beziehung hast. Der blanke Hohn, wenn ich das aus heutiger Sicht betrachte.
Dann machte ich mich schuldig, einem Vertrauensbruch aus reiner Unsicherheit meinerseits, der zwar letztlich nie passierte, weil Du mich erwischt hattest bevor ich ihn in die Tat umsetzen konnte, aber dennoch ändert das nichts an meiner Intention. Ich gab es zu, sofort, entschuldigte mich, kroch zu Kreuze, bat Dich um Verzeihung. Doch Du kanntest kein Pardon, warst unerbittlich und mir blieb nichts, als vor Scham im Boden zu versinken, um Dich zu weinen, denn ich hatte Dich verloren, und dieser Verlust schmerzte mich sehr.
Ich berappelte mich. Es dauerte, aber ich schaffte es und als ich Dich grad „vergessen“ hatte, kamst Du wieder an. Meldetest Dich aus völlig heiterem Himmel, wolltest mich sehen, am liebsten sofort, sagtest, dass Du erleichtert warst, dass ich überhaupt reagiert hatte auf Dein Doge-Meme-Pic – after the long weird silence. Das waren Deine Worte. Auch Du fandest die sieben Monate Stille zwischen uns „weird“ und sag mir nicht, es wäre Dir nur um den Sex gegangen. Dann hättest Du Dir eine andere gesucht, zumal ich ja offiziell „schuld“ an unserem Ende war.
Aber Du kamst zurück. Zu mir.
Und als wir uns dann trafen, warst Du genauso froh und erleichtert, wie ich. Ich bin keine Hellseherin und ich kann auch in niemanden reinkucken – aber ich bin Dir voraus, was Lebenserfahrung betrifft. Weit voraus. Und ich kann einschätzen, ob mich jemand wirklich gern hat, oder nicht. Es war ein superschönes Date mit Dir und auf dem Weg zurück zur U-Bahn sprachst Du das von damals nochmal an. Das, was irgendwie noch zwischen uns stand. Wolltest wissen, ob wir wieder „gut“ miteinander sind. Ich hatte den Eindruck, das war Dir wirklich wichtig. Und dann nahm ich Deine Hand und Du hast sie gedrückt und bis zum Bahnsteig nicht mehr losgelassen. Der Abschiedskuss war unglaublich und verhieß soviel. Ich war lange nicht mehr so glücklich, wie in dem Moment.
Doch mein Glück währte kaum länger als 24 Stunden.

Einen Tag später erzählte mir eine enge Freundin, die Deinem Bruder sehr nahe steht, dass Du eine Freundin hast. Mit der Du grad zusammengezogen bist – denn bei besagtem Umzug hat Dir Dein Bruder geholfen und er hat es meiner Freundin gegenüber erwähnt, ganz beiläufig. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg – auch wenn das in dem Moment niemand mitbekommen hat. Nach 14 Monaten, nach allem was war, nach allem, was ich Dir von mir erzählt hatte (ich habe Dir gegenüber einen emotionalen Offenbarungseid geleistet, verdammt nochmal!), erfahre ich sowas. Und ich habe so verständnisvoll reagiert, wie man in einer solchen Situation nur reagieren kann: ich habe Dir gesagt, was ich gehört habe, doch dass ich keine Schlüsse ziehen wollte, ohne zumindest Deine Seite zu hören. Dabei haben weder meine Freundin, noch Dein Bruder Grund, sich sowas auszudenken. Trotzdem – man weiß nie, wie es um eine Beziehung bestellt ist, wenn man nicht drin steckt. Niemand weiß, was hinter verschlossenen Türen geschieht. Deswegen wollte ich Dir eine Chance geben, Dich zu erklären.

Doch Du hast diese Chance nicht genutzt, und das ist das eigentliche Verbrechen, das Du begangen hast. Du hast mich ins offene Messer laufen lassen, wohl wissend, dass Du viel mehr für mich bist, als ein Vögelfreund (denn das hatte ich Dir gesagt, verdammt, ich habe Dir sogar einen Brief geschrieben!). Kamst just an dem Wochenende um die Ecke, als Du mit Deiner Freundin zusammengezogen bist. Torschlusspanik nennt man das wohl. Eigentlich eine ziemlich menschliche Eigenschaft.

Zusammenfassend: es geht mir nicht um die Fehler, die Du machst, die wir alle machen, es geht mir darum, wie Du damit umgehst. Damals rumheulen und ein Riesenfass aufmachen wegen meinem Faux Pas, obwohl Du mich damals schon monatelang angelogen hattest, wie sich jetzt herausstellt. Ich bin für meinen Fehler gerade gestanden, Du tust es nicht. Ziehst Dich feige aus der Affäre und reagierst nicht auf meine Frage und lässt mich allein. Mit meinem Schmerz, meinem gebrochenen Herzen (jetzt noch mehr als damals) und mit meinen Tränen. Mein einziger Trost ist, zu wissen, dass ich das überleben und stärker als je aus dieser Geschichte herausgehen werde. Aber es wird schwer, denn Du hast mein Herz kaputt getrampelt. Und ich schäme mich nicht, das zuzugeben. Im Gegenteil, eigentlich bin ich froh, zu wissen, dass ich mich noch verlieben kann. Und ich weiß, dass Du irgendwann von Frau Karma und Herrn Universum die Quittung kriegst. Dafür muss ich überhaupt nichts tun, obwohl mein Ego gerade noch sehr laut nach Genugtuung schreit. Das wird von ganz allein passieren. Und dann?

Then, you will hit rock bottom and you sure as fuck will remember me.

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