Liebster, verehrtester Hape,
meistens liebe ich dich, abgöttisch und vollkommen platonisch, manchmal raubst du mir allerdings dennoch den Schlaf – doch dazu am Ende mehr.
Als Kind der späten 70er und frühen 80er gehört dein Gesicht seit jeher zu meiner ganz persönlichen Fernsehlandschaft, die ganz früher aus Sesamstraße und Japan-Trick bestand, später dann – aus hormonellen Gründen vermutlich – von klebrig-schmalzigen US-Schmonzetten à la „General Hospital“ und „Love Boat“ geprägt war und heute bei herkömmlichem Erwachsenen-Content in sämtlichen verfügbaren Mediatheken angelangt ist. Es darf gern spannend, abstrus, reißerisch und auch mal blutig sein, dem Genre True Crime war ich beispielsweise sofort verfallen; eine Teilschuld trifft hier in meinen Augen ganz klar Eduard Zimmermann, der auf mich immer eine seltsame Autorität ausgestrahlt hat. Was es aber definitiv immer sein darf: lustig. Da gab es auch nie eine Präferenz. Gibt ja Leute, die ausschließlich politisches Kabarett konsumieren, das man nur dann versteht, wenn man ein Diplom in Politikwissenschaft hat. Was mich betrifft, darf es auch gerne mal Klamauk sein. Wobei du eigentlich kein Vertreter des klassischen Klamauks im Stile von „Palim, Palim“ bist (Gottseidank). Bei dir musste man immer ein bisschen mitdenken, und ehrlich gesagt, habe ich dich erst als erwachsene Frau so richtig zu schätzen gelernt – aber du hast in meiner Kindheit für unfassbar lustige Familienmomente gesorgt. Ich werde es niemals nie vergessen, wie meine Schwester und ich, meine Mutter und mein Vater unterm Tisch lagen, als „Hurz“ Premiere hatte. Es flossen Tränen damals! Auf Hape konnten wir uns einigen. Hape im Fernsehen, das waren 90 Minuten Harmonie. Ich habe erst Mitte zwanzig wirklich verstanden, wie gut du eigentlich bist und wie überaus talentiert.
Bis heute kann ich mich nicht sattsehen. Egal was. Deine Ideen für „Darüber lacht die Welt“ sind bis heute nicht getoppt worden, finde ich. Einem Ex-DDRler nach 10 Jahren einen bestellten Trabi zu liefern und den „Püschó“ einfach mitzunehmen, das ist allein deswegen schon lustig, weil ich mir in diesem bürokratieverherrlichenden Land sowas durchaus vorstellen kann. Bestellt ist bestellt! Oder mal eben die „nicaragüense himno nacional“ zu einem grammatikalisch korrekten spanischen Fantasietext und der Melodie der DDR-Hymne zu singen, das hat schon was. Überhaupt, dein spanischer Akzent könnte perfekter nicht sein, und das kann ich als langjährige Dolmetscherin und Ex eines Spaniers durchaus beurteilen. Das muss man auch erst mal hinkriegen, so typische semantikbedingte Fehler („ich wünse Ihnen ein glücklishes Swein“, muaha) derart vollendet zu reproduzieren. Und 5600 km zum Baden einladender Sandstrand…! Ich mein, hey! Muss man als Praktikant der deutschen Polizei wissen!
Überhaupt, dein offenkundiges Sprachtalent! Diesbezüglich fühle ich mich dir äußerst verbunden, wurde ich doch selbst mit einem solchen bedacht. Das muss mir jemand in einem unbeobachteten Moment heimlich in die Wiege gelegt haben, anders ist das nicht zu erklären. Möglicherweise habe ich es aber auch einfach von meiner Mutter geerbt, die aus Norwegen stammt und in ihren frühen Zwanzigern nach West-Berlin kam. Mit Ausnahme einiger weniger Skandinavismen (sie sagt beispielsweise „Uma“ und nicht „Oma“ oder auch „Cuca Cula“ statt „Coca Cola“) spricht sie nämlich sehr gutes akzentfreies Deutsch. Damit kann ich jetzt auch perfekt anbinden zu einem meiner All-time-Favorites, einem Film, den ich ausschließlich aufgrund des Titels auf dem DVD-Cover gekauft habe: „Ein Mann, ein Fjord“ hat mir im Media Markt lautes Gelächter entlockt und als ich den Film dann sah… Mein Gott. Du hast da, einfach so, mein Leben nacherzählt. Zumindest einen wesentlichen Teil meiner Ferienerinnerungen. Hüttenurlaub war, trotz der exorbitanten Kosten eines solchen, ein Luxus, den wir uns einmal im Jahr erlaubt haben, mal sommers, mal winters. Bis heute die schönsten, idyllischsten Momente, die ich je erlebt habe. Trollgeschichten, Waldspaziergänge (der Geruch nach trockenem Holz verschafft mir bis heute ein wohliges, sicheres Gefühl), Baden in kalten Seen, Langlauftouren durch hüfttiefen Schnee, heißer Kakao am Kaminfeuer… was für ein herrlicher Erinnerungsschatz. Und mit elf, damals hatten a-ha gerade ihren musikalischen Siegeszug angetreten, kam ich in den exklusiven Besitz einer Art norwegischen Bravo, mit Fotos und Interviews, die in Deutschland noch niemand kannte.
Nach Norwegen kam man nur mit der Fähre und jetzt wirst du verstehen, warum mich „Ein Mann, ein Fjord“ so mitgerissen hat, es ist eben einfach alles wahr. Genau so laufen diese Fährenreisen ab und wie geil ist bitte Wencke Myhre?
Dein Buch „Ich bin dann mal weg“ habe ich gelesen, nachdem ich mit dem VW-Bus mal in Galizien war. Wir haben eine Tour vom Baskenland bis nach Galizien gemacht und konnten zumindest in landschaftlicher Hinsicht einen Eindruck vom Jakobsweg gewinnen. Wir haben auch viele Pilger getroffen, wann immer wir unseren Bus an einem Strand unserer Wahl parkten, um dort einen Tag oder zwei zu verweilen. Und als wir in Finisterre waren, habe ich aufs Meer geblickt und verstanden, weswegen dieser Ort so heißt. Wenn da so ein Angler im Mittelalter die Rute in die Fluten hält und nicht weiß, dass da in weiter Ferne ungeahnte Landmassen liegen, natürlich denkt der, hier ist Schluss. Weiter als die Angel kommen wir nicht. Diese Weite war irgendwie anders als der Blick aufs Meer vom Strand aus. Schwer zu beschreiben.
Im Dezember stolperte ich über „Ein Abend mit Hape Kerkeling“ – just einen Monat zuvor hatte ich mir einen Lebenstraum erfüllt: eine Katze. Zuvor beruflich immer unterwegs gewesen, war jetzt endlich der Moment gekommen, ich hatte einen Jobwechsel vollzogen und war nun beruflich gar nicht mehr unterwegs, wenn man vom Weg ins Büro mal absieht. Also holten mein Partner und ich uns ein kleines Katerchen in die Wohnung und was soll ich sagen? Es ist ein Traum. Das, was immer gefehlt hat, für mich zumindest. Er fühlt sich augenscheinlich wohl hier und zeigt mir das durch ausdauerndes Schnurren und Slo-mo-Blinzeln sehr eindrücklich. Und wenn ich vom Büro heimkomme, bekomme ich die Tür kaum auf, weil er dort schon liegt und den Bauch präsentierend rücklings auf mich wartet. Mein Mann sagt „Wenn der dich im Hausflur hört, unterbricht der sein Nickerchen und rennt an die Tür, jedes Mal!“ Wie schön ist das denn bitte? Das rettet jeden Misttag, every damn time!
Was soll ich sagen, Hape? Du bist Zuhause für mich. Auch wenn das weird sein muss, wenn wildfremde Menschen sowas über einen sagen, aber doch, wenn ich dich sehe oder deine Bücher lese, dann hab ich das gute Gefühl von Zuhausesein.
Du triffst halt als Mensch für mich mitten ins Schwarze. Danke, Hape. Auch und vor allem für Filme wie „Der Junge muss an die frische Luft“. Danke, dass du das mit uns teilst. Dass du uns so tief in deine Seele schauen lässt.
Der Moment ist gekommen, da möchte ich diesen Text beenden und mein Versprechen vom Anfang einlösen und verrate nunmehr, warum du mir ab und an den Schlaf raubst und ich dann aufwache mit einer Laune wie Nina Ruge auf der Bambi-Verleihung. Seit Jahren liege ich nachts wach und werde von einer einzigen, quälenden Frage geplagt: Wie geht der verschissene Chicken-Witz mit den zwei Tequila?!
„Brauch ich nicht“, „I just layed one“ und „It’s not a tortilla, it’s a cactus!“ taugen nicht als gedankliche Fragmente, ich bring sie einfach nicht zusammen und es macht mich wahnsinnig. Mich begleitet seitdem auch ein unerklärlicher Neid auf Heike Makatsch.
Das geht einfach nicht. Erzähl mir bitte diesen Witz! Diese halbfertigen Pointen bringen mich an die Grenze meines Verstands.
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